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Darum geht es bei der Elterngelddebatte aus Paarberatungssicht wirklich

Die Debatte um das Elterngeld ist im Moment auf Social Media, in den Nachrichten und im Privaten allgegenwärtig. Für viele sehr überraschend, wird aktuell darüber entschieden, ob es für Paare mit einem gemeinsamen zu versteuernden Einkommen von mindestens 150.000,00 Euro jährlich kein Elterngeld mehr geben soll (aktuell liegt die Einkommensgrenze für Paare bei 300.000,00 Euro). Laut aktueller Berechnungen betrifft dies ca. fünf Prozent der Paare in der Altersgruppe der unter 50-Jährigen. Ziel des Elterngeldes war unter anderem, die ökonomische Gleichstellung beider Partner:innen zu fördern und Väter durch finanzielle Anreize dazu zu motivieren, Elternzeit zu nehmen*.

Gleichzeitig steht zur Diskussion, der geplanten Kindergrundsicherung deutlich weniger Budget zuzusprechen, als ursprünglich geplant. Die Kindergrundsicherung soll armutsgefährdete Kinder in Deutschland schützen und ihre Familien hinreichend unterstützen. Aktuell ist jedes fünfte Kind in Deutschland von Armut gefährdet**. Die Diskussionen über die Thematik sind weitreichend und die Reaktionen gehen von Verständnis und Mitleid bis hin zu völligem Unverständnis und Erschütterung.

Warum jedes Paar zu Finanzen und Elterngeld sprechen muss

Persönlich und als Paarberaterin bin ich absolut der Meinung, dass es mindestens eine Kindergrundsicherung geben muss. Es muss in einem so wohlhabenden Land wie Deutschland möglich sein, diese Priorität zu setzen. Daran geht kein Weg vorbei. Auch muss eine Infrastruktur geschaffen werden, in der Betreuung und Bildung für alle Kinder gegeben ist. Aus beruflicher Sicht sehe ich darüber hinaus, dass Eltern(paare) unter einer grundsätzlichen finanziellen Absicherung und Betreuungs-, sowie Bildungsunterstützung deutlich angstfreier und stabiler ihre wichtige Rolle als Eltern erfüllen können. Die Erfüllung der Grundbedürfnisse hat einen nachgewiesenen positiven Einfluss auf unsere Psyche und damit auch auf unser Handeln. Auf diese Weise erhöhen wir die Chance, psychisch stabile Kinder zu erziehen und in die Welt schicken zu können. Dieses Ergebnis geht unter anderem aus einer umfangreichen Studie des bmfsfj hervor. Die Kindergrundsicherung ist für die Zukunft unserer Gesellschaft, neben anderen Maßnahmen, also eine unverzichtbare Basis.

Meine Recherche und Beobachtung der aktuellen Diskussion rund um das Elterngeld, sowie meine Erfahrung als Paarberaterin zeigen mir jedoch noch einen anderen Aspekt dieser Konversation auf, der aktuell wenig diskutiert wird: Wenn die Grundsicherung in einer Familie gegeben ist, dann zählt für eine Partnerschaft nicht allein die Summe des Elterngeldes oder der finanzielle Anreiz zur Gleichberechtigung. Es zählt vor allem die Verbindung der Partner:innen in der Beziehung für eine glückliche Partnerschaft mit Familie.

Es zählt nicht allein die Summe des Elterngeldes oder der finanzielle Anreiz zur Gleichberechtigung. Es zählt vor allem die Verbindung der Partner:innen für eine glückliche Partnerschaft mit Familie.

Miriam Dialo

Die Elterngeld-Diskussion zeigt dramatische Paar- und Familienproblematiken auf

Warum Elternzeit und Elterngeld aus paartherapeutischer Sicht so sensible Themen sind? Weil wir uns als Paar wirklich besprechen müssen. Und weil wir uns in dieser Diskussion verletzlich zeigen müssen. Da es um bewusste und unbewusste Abhängigkeiten, Bedürfnisse, Ängste, Unsicherheiten und mehr geht. Und diese Situation erleben wir nicht häufig in einer Partnerschaft.

Was ist an dieser Situation so anders?

Eine Familie zu gründen ist neu für uns. Wir haben die Situation vorher noch nie erlebt. Wir können die Entscheidung auch nicht einfach wieder rückgängig machen. Mit einer Schwangerschaft, der Geburt und dem Elternsein steigen wir in einen Zug ein und fahren erst einmal einige Haltestellen auf unbekannten Strecke mit, ohne dass wir aussteigen können. Und jedes Mal, wenn ein Kind in die Familie kommt, ist die Situation emotional, verletzlich und unfassbar fordernd.

Dieses eine Jahr (oder ein paar Monate mehr) Elternzeit und -geld ist also mehr als nur die bloße finanzielle Summe. Die gesamte Thematik deckt vor allem fünf Aspekte über unsere Beziehung auf:

  1. Ob und wie wir über unsere Finanzen sprechen
  2. Welche veraltete Glaubenssätze wir jeweils zum Thema Geld haben
  3. Welche Abhängigkeiten zwischen uns bestehen
  4. Ob wir ähnliche Prioritäten im Leben haben
  5. Wie stark unser gegenseitiges Vertrauen ist.

Es gibt erfahrungsgemäß also fünf wichtige Gründe dafür, dass Paare Herausforderungen im Umgang mit dem Elterngeld (und Finanzen generell) haben:

1. (Werdende) Elternpaare sprechen nicht (ausreichend) über Finanzen

Vielen Menschen ist es unangenehm über das Thema Geld zu sprechen. In einer Beziehung besteht oft zusätzlich die Angst, dass solche Gespräche bei dem:der Partner:in das Gefühl auslösen könnten, die finanzielle Situation würde über die Liebe gestellt werden. Aus diesem Grund schweigen viele lieber und behalten ihre Finanzen geheim. Die Problematik des Schweigens ist jedoch, dass das Thema dadurch nicht gelöst ist. Das Gegenteil ist der Fall: Oftmals stauen sich die offenen Fragen und Unsicherheiten nur noch weiter an. Aus diesem Grund empfehle ich Paaren bereits nach der ersten Zeit in einer Beziehung miteinander über Finanzen zu sprechen, zum Beispiel sobald es um größere Ausgaben, wie den ersten gemeinsamen Urlaub geht. Folgende Fragen könnt ihr als Hilfestellung heranziehen, da sie nicht zu konfrontierend, jedoch trotzdem aufschlussreich sind:

  • Wie stehst du zum Thema Geld?
  • Wofür gibst du dein Geld (gern) aus?
  • Wie viel verdienst du (ungefähr)?
  • Was ist dir wichtig, wenn es um Finanzen geht?
  • Machst / erhältst du gern Geschenke in einer Partnerschaft und was ist dir hier besonders wichtig?
  • Wofür gibst du in einer Partnerschaft gern Geld aus (Unternehmungen, Urlaub, Geschenke…)
  • Welche guten / schlechten Erfahrungen hast du bisher in deinem Leben mit Geld gemacht?
  • Hast du Kredite / Schulden?

Wir können nur gewinnen, wenn wir als Paar über die Themen, die uns beschäftigen, tatsächlich sprechen.

Miriam Dialo

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2. Partner:innen haben veraltete Glaubenssätze zum Thema Geld, die sich negativ auswirken

Viele Menschen unterschätzen die Auswirkung ihrer Kindheit auf ihr aktuelles Leben. Aus diesem Grund schaue ich in meiner Arbeit immer auch direkt auf die jeweiligen Kindheiten. Wie sind die Partner:innen aufgewachsen, was haben sie gelernt, was macht sie aus? So verstehen wir unfassbar viel über uns selbst, unsere:n Partner:in und uns als Paar. Außerdem haben wir einen Anlass darüber zu sprechen, wie wir als Familie leben und was wir unserem(n) Kind(ern) mitgeben möchten.

Auch zum Thema Finanzen haben wir oft Glaubenssätze, die aus der Kindheit stammen. Diese können wir sichtbar machen, indem wir uns zurückerinnern, wie wir aufgewachsen sind:

  • Wie sind deine Eltern mit Geld umgegangen?
  • Was hast du als Kind über Geld, Anschaffungen, Arbeit, etc. gelernt?
  • Welche Glaubenssätze haben sich daraufhin in dir gefestigt (z.B. “Ich muss viel Arbeiten, um Geld zu haben”, “Es ist wichtig, viel Geld zu haben”, “Ich darf auf keinen Fall so arm sein, wie meine Eltern”, “Geld kommt schon immer wieder rein”, etc.).
  • Was ist dein Ziel hinsichtlich deiner Finanzen und deiner materiellen Situation?

Bezüglich eurer Beziehung solltet ihr zudem darauf schauen, welches Bild ihr von einem gemeinsamen Leben habt. Was bedeuten euch Arbeit, Familie, die Partnerschaft, Kind(er), Care-Arbeit? Wie wichtig sind diese Elemente für euch? Spielt es eine Rolle, wer bestimmte Tätigkeiten ausführt? Was ist euch rund um diese Themen wichtig?

Wenn wir eine Abhängigkeit empfinden, äußert sich diese so gut wie nie nur auf finanzieller Ebene.

Miriam Dialo

3. Partner:innen sind auf unterschiedlichen Ebenen (finanziell, emotional, etc.) voneinander abhängig

Ein weiterer unterschätzter Faktor ist das Abbild, das unsere finanzielle Paar-Dynamik meistens über unsere Beziehung zeigt. Wenn wir eine Abhängigkeit empfinden, äußert sich diese so gut wie nie nur auf finanzieller Ebene.

Ein:e Partner:in, der:ie sich finanziell abhängig fühlt, hat häufig das Gefühl, anderweitig etwas ausgleichen oder wiedergutmachen zu müssen. Auf der anderen Seite kann es auch sein, dass die erwerbsarbeitende Person sich stark unter Druck und wiederum hinsichtlich anderer Aspekte (Kindererziehung, Haushalt, etc..) abhängig oder außen vor fühlt. Diese Dynamiken können auch in abgeschwächter Form auftreten.

4. In der Paarbeziehung werden (scheinbar) unterschiedliche Prioritäten gelebt

Oft erfahren Paare von unterschiedlichen finanziellen Ansichten und Prioritäten erst während der ersten Schwangerschaft, wenn sie (hoffentlich) über ihre Finanzen und die Elternzeit sprechen. Sollte dies der Fall sein, ist jetzt allerhöchste Eisenbahn, gemeinsam auf einen zufriedenstellenden Nenner zu kommen.

Wie können wir die Problematik verstehen? Es kann zum Beispiel sein, dass ein:e Partner:in fest davon ausgegangen ist, dass das Kind früh in Betreuung geht und beide viel arbeiten, während die andere Person länger zuhause bleiben möchte. Auch kann es sein, dass sich Wünsche von geteilter Care- und Erwerbsarbeit nicht decken, dass diese Bereiche als unterschiedlich wertig gesehen werden, etc.

Sollte dies der Fall sein, könntet ihr noch einmal zu Punkt 2 zurückgehen und ergänzend darüber nachdenken und sprechen, ob bezüglich dieser Themen ebenfalls Glaubenssätze versteckt liegen.

5. Das gegenseitige Vertrauen fehlt (teilweise) in der Beziehung

Vertrauen ist eine große Variable, die sich in vielen Bereichen einer Beziehung zeigen kann. Wir setzen oft einfach voraus, dass wir uns sicherlich vertrauen, wir sind ja schließlich zusammen. Jedoch können zum Beispiel unterschiedliche Bindungsstile, Erfahrungen und Unsicherheiten dazu führen, dass wir uns vielleicht doch nicht ausreichend vertrauen.

Fehlendes Vertrauen in der Partnerschaft rund um die Finanzen, und meistens auch andere Themen, kann weitreichende Folgen haben: Vielleicht möchten wir dadurch Herr(in) über unser eigenes Konto sein und unser eigenes Geld verdienen. Doch: Eine Beziehung kann unmöglich auf jeder Ebene ausgeglichen sein und Geld spielt an unterschiedlichen Punkten eine Rolle. Selbst wenn wir (noch) nicht zusammen leben oder (noch) keine Kinder haben. Sprecht darüber und nehmt euch Unterstützung. Spätestens wenn Kinder, Elternzeit, Elterngeld, etc. mit im Spiel sind, wird es nicht ohne eine gewisse “Abhängigkeit” gehen. Eine Abhängigkeit müssen und sollten wir übrigens nicht verspüren, denn anstatt dessen können wir jede neue Situation und Herausforderung als Teamarbeit begreifen. In einem Team sind die Verantwortungen klar, es gibt regelmäßige Absprachen, Updates und Anpassungen. Das klingt vielleicht zunächst nach Arbeit, aber es sorgt vor allem für eines: Verbindung!

Eine Abhängigkeit müssen und sollten wir nicht verspüren, denn anstatt dessen können wir jede neue Situation und Herausforderung als Teamarbeit begreifen.

Miriam Dialo

Nehmt euch und eure Beziehung ernst

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass alle Diskussionen über Geld, nach der Ermöglichung der Grundsicherung, oft deshalb so emotional und belastend sein können, da hinter der eigentlichen Zahl starke Gefühle und Emotionen stecken. Diese dürfen wir uns bewusst machen und im Detail verstehen um unser Leben als Paar tatsächlich so zu gestalten, dass es sich möglichst fair, verbunden und zukunftssicher anfühlt. Wir können also nur gewinnen, wenn wir über die Themen, die uns beschäftigen, tatsächlich sprechen.

Im Herbst dabei sein: Das Coachingprogramm für Elternpaare über sechs Monate mit umfangreicher persönlicher Begleitung.

Profitiert von

  • Monatlichen Live-Treffen mit mir als Paartherapeutin
  • Individuellen Hilfestellungen für jedes Paar
  • Tipps und Handwerkszeug mit lebenslanger Gültigkeit
  • Und dabei integrierbar in den Alltag mit Kindern & finanziell umsetzbar 🙂

Quellen:
* Katharina Wrohlich im Podcast der FAZ – Wie klug sind die Sparpläne beim Elterngeld? „Hoch emotionale Debatte“

** https://www.hna.de/wirtschaft/hinaus-elterngeld-kuerzung-deutlich-mehr-paare-betroffen-regierung-schiesst-ueber-ihr-ziel-92384375.html

*** https://www.bmfsfj.de/resource/blob/95354/076596362455af26733a2bedf0a32d6e/staerkung-familialer-beziehungs-und-erziehungskompetenzen-data.pdf

Posted in Beziehungstipps

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