Wann ist der richtige Zeitpunkt für das erste Kind?
Die Frage nach dem ersten Kind hat sich vermutlich jeder bereits gestellt. Ganz unabhängig davon, ob ein Kinderwunsch besteht oder nicht. Sei es weil jemand schwanger ist, da man selbst gefragt wurde, aufgrund eines möglichen beruflichen Aufstiegs oder ganz einfach weil die Frage in der aktuellen Partnerschaft im Raum steht.
Viele ziehen besonders die finanzielle Situation, berufliche Möglichkeiten oder auch die äußeren Umstände (Wohnort, Wohnungsgröße etc.) in Betracht, um sicher zu gehen, dass die Familienplanung starten kann. Ferner gibt es weitere, häufig vergessene Größen, die wir nicht außer Acht lassen sollten. Wir sprechen hier erstens von elementaren, sogenannten “Risikofaktoren” und zweitens von Aspekten einer Partnerschaft, die wesentlich zu einer positiven oder negativen Entwicklung des Lebens als Familie beitragen können. Im folgenden Artikel werde ich sämtliche Aspekte zur Entscheidungsfindung heranziehen und genauer erläutern.
Heutzutage ist ja bekanntlich üblich, deutlich später als noch vor zwanzig Jahren das erste Kind zu bekommen. Mehr Frauen, als noch vor einigen Jahren, arbeiten in Bereichen, die eine längere Ausbildungszeit benötigen. Zudem haben viele junge Menschen den Drang, sich zunächst selbst zu verwirklichen, zu reisen, Zeit mit dem/der PartnerIn zu verbringen und vieles mehr. Nicht nur einmal habe ich Gespräche, vor allem mit Frauen geführt, die große Ängste hatten, ihre berufliche Karriere wegen des Kindes an den Nagel hängen zu müssen – oder ihre sozialen Kontakte zu verlieren. Auch die Beziehung sehen manche Menschen in Gefahr. Schließlich sind bereits viele an dem Projekt Familie gescheitert.
Grundsätzlich gibt es wohl kaum den einen perfekten Zeitpunkt für das erste Baby. Hat man doch häufig das Gefühl, es könnte noch eine Investition mehr getätigt werden. Man sollte jetzt noch diese eine Reise erleben oder es steht in den kommenden Monaten die nächste Stufe auf der Karriereleiter an.
Um eine fundierte Grundlage für die Entscheidung zu haben, kann ich euch ans Herz legen, die folgenden Aspekte zu berücksichtigen:
Finanzielle Sicherheiten und berufliche Situation
Dieses Thema steht für den einen an deutlich höherer Stelle als für den anderen. Wichtig sind aus meiner Sicht folgende Fragen:
Sind wir finanziell grundsätzlich auf einem grünen Zweig,
sodass wir mit Kind nicht jeden Cent dreimal umdrehen müssen
und langfristig (psychisch) belastet sind?
Andauernde Sorgen und negative Gedanken können sehr weitreichende Auswirkungen auf Partnerschaft und Kinder haben.
Aktuell während der Coronakrise steht dieses Thema sicherlich noch einmal unter einem anderen Stern. Daher müssen vermutlich einige Fragen zur Zeit von einem anderen Blickwinkel aus gestellt werden.Für viele ist vor der Schwangerschaft wichtig, gewisse finanzielle Sicherheiten in der Hinterhand zu haben. Und das macht durchaus Sinn.
Trotzdem sollte immer klar sein, dass eine Absicherung aller denkbaren Eventualitäten vor dem ersten Kind schlichtweg unmöglich ist und man sich nicht verrückt machen sollte. Vor dem Hintergrund der totalen Sicherheit und unendlicher Backup-Pläne würden wir wohl alle kinderlos bleiben…
Können wir unsere Berufe insoweit mit der Familie vereinbaren,
dass wir alle zufrieden sind?
Hier muss jedes Paar herausfinden, wie es sich das Leben mit Baby bzw. Kind vorstellt und welche Möglichkeiten es gibt. Für uns kam beispielsweise nie infrage, dass einer jahrelang Zuhause bleibt und der andere viel arbeitet. Uns war beiden wichtig, (beide) sowohl Zeit mit der Familie zu verbringen, als auch beruflich zufrieden zu sein.
Für jedes Paar sind andere Konstellationen vorstellbar – wichtig ist hier, diese Frage umfangreich zu klären.
Örtlichkeit mit Familie – Haus oder Wohnung, Stadt oder Land?
Leben wir an einem Ort, wo wir uns wirklich ein Leben mit Familie vorstellen können? Wo möchten wir leben und wie stellen wir uns unseren Alltag vor?
Diese Fragen sind aus meiner Sicht sehr wichtig. Nur aufs Land zu ziehen, weil die Schwiegereltern das am besten finden oder wir uns das so “Bullerbü-wunderbar” vorstellen, macht aus meiner Sicht wenig Sinn. Ich kenne mehr als eine Hand voll Personen, die eine übereilige Entscheidung getroffen haben und zutiefst unzufrieden waren.
Plötzlich für alles ein Auto brauchen, nicht mehr zu Fuß im Café um die Ecke einen Kaffee holen. Weiter entfernt von bestimmten Menschen und vielleicht auch dem Arbeitsplatz zu wohnen – ist das ok für uns? Ja: Go for it! Nein: Findet eine andere Lösung.
Genauso kann dies natürlich anders herum wirken und sich jemand in einer großen Stadt verloren fühlen. Viele Menschen brauchen auch einen Garten und möchten ihren Kindern unbedingt ermöglichen viel draußen zu spielen.
Eine häufige Problematik ist auch, wenn einer zur/m PartnerIn gezogen ist und wenig soziale Kontakte hat bzw. den Ort nicht für sich erobern kann. Mit dem ersten Baby ist man gerade in der Anfangszeit häufig mehr Zuhause und hat weniger Zeit. Für viele kann es sehr schwer sein, wenn gerade in diesem Lebensabschnitt kaum jemand von den Liebsten in der Nähe ist.
Die Größe des Wohnraums ist ebenfalls eine wichtige Frage. Brauchen wir regelmäßig Rückzugsorte? Mit Baby wird dieses Thema meistens noch größer als vorher. Andererseits sagen viele Eltern, dass ein eigenes Zimmer im ersten Lebensjahr – für viele sogar noch darüber hinaus – nicht zwingend notwendig ist. Wir leben zum Beispiel aktuell noch mit unserem 18 Monate alten Kind in unserer geliebten offenen Dachgeschosswohnung mit zwei Zimmern, sowie tollem Balkon und fangen jetzt mit der Suche nach einer größeren Wohnung an.
Mir hat für derart schwere Entscheidungen immer gut geholfen, durch potenzielle Orte zu gehen und mir ganz real vorzustellen, wie eine Woche hier wohl ablaufen würde. Ob sich das wirklich gut und richtig anfühlt. “Welche Vor- und Nachteile sehen wir und welche Entscheidung passt für uns auch langfristig am besten?”
Irren ist menschlich – aber vorher genauer in sich hineinzuhören, kann sicherlich einige schwierige Momente vermeiden.
Das Umfeld mit dem ersten Kind
Für den einen ist das soziale Umfeld vor Ort ein “nice to have”, für den anderen fast lebenswichtig. Grundsätzlich beinhaltet dieser Lebensbereich aus meiner Sicht vor allem eine wichtige Frage: Haben wir zumindest eine Hand voll Menschen um uns, mit denen wir uns das Leben mit dem ersten Kind vorstellen können? Gibt es Menschen, die uns unterstützen würden? Man wird wohl spätestens zu Kindergartenzeiten auch an anderen Orten liebe Menschen mit Kindern kennenlernen. Aber bereits zu Beginn (zumindest wenige) Herzensmenschen in der Nähe zu haben, kann eine große Stütze sein. Als FreundIn an der Seite und auch dafür, mal einen “Tanten/Onkel-Nachmittag” planen zu können. Oder für abends jemand Vertrautes zu haben.
Auf der anderen Seite gibt es vielleicht auch Menschen, die einem weniger gut tun und nicht im direkt sichtbaren Umfeld sein sollten. Ich hörte zum Beispiel gerade von einem Fall, wo ein Paar direkt in die Nachbarwohnung der (Schwieger-) Eltern gezogen ist. Nun haben beide festgestellt, dass sie vor der Familiengründung auf jeden Fall mindestens ein paar Straßen weiter ziehen müssen. Tut dies in einem solchen Fall auch – es finden sich immer Lösungen.
Risikofaktoren in der Partnerschaft
Es gibt wichtige Risikofaktoren in einer Partnerschaft. Dazu gehören Hochzeit, Hausbau, schwere Krankheiten, Umzüge (an einen anderen Ort) oder Todesfälle im (engen) Umfeld. Auch das erste Kind, bzw. weitere Kinder, stellen Risikofaktoren dar. Risikofaktor bedeutet in dem Fall, dass die Gegebenheit eine Partnerschaft spürbar aufmischt: Das Paar muss sich wieder neu finden. Man kann sich dieses Phänomen wie ein Mobile vorstellen. Ein Teil wird verschoben, herausgenommen oder hinzugefügt und das komplette Konstrukt verändert sich (Mobile-Effekt). Derartige Veränderungen brauchen in der Regel (viel) Zeit. Diese Zeit sollte sich auch genommen werden.
Nicht nur ein Paar, mit dem ich gesprochen habe, hat diesen Aspekt unterschätzt. Die Überforderung mündete dann beispielsweise in völligem Stress, da die Hochzeit während der Schwangerschaft doch aufwändiger wurde als gedacht oder in strenger Bettruhe bereits zwei Monate vor der Entbindung, da der Hausbau die Schwangere bis zum Zusammenbruch ausgelaugt hatte.
Einige Paare trennen sich noch im ersten Lebensjahr des gemeinsamen Kindes, da sie einem oder mehreren dieser Risikofaktoren ausgeliefert sind.
Manchmal haben wir auf bestimmte Verläufe im Leben keinen Einfluss. Aber bereits das Wissen über die Auswirkungen des ersten Kindes (und sich im Fall der Fälle Unterstützung holen) hilft vielen sehr.
Daher stellt euch vor der Kinderplanung einerseits die Frage, welche Projekte noch anstehen und andererseits, wie ihr diese gestalten könnt. Eure Vorhaben sollten sie nicht (zu extrem) zusammenfallen. Entsprechend vermeidet ihr Überanstrengung und viele langfristige Probleme.
Eure Partnerschaft
Eure Partnerschaft bildet wohl die wichtigste Komponente der Entscheidung für ein Kind.
Diese Fragen solltet ihr euch optimaler Weise stellen:
- Haben wir grundsätzlich die gleichen Werte und Lebensziele, bzw. lassen sie sich vereinen?
- Haben wir ähnliche Vorstellungen vom Leben mit dem ersten Kind und als Familie?
- Gibt es Dinge, die wir noch zu zweit und ohne Kinder erleben möchten?
- Beschäftigen uns Themen, Ängste, Bedürfnisse und Wünsche, die wir berücksichtigen oder noch bearbeiten sollten, ehe wir eine Familie gründen?
- Können wir grundsätzlich über Fragen und Problematiken in unserem Leben miteinander sprechen und diese gemeinsam angehen?
Es kann sehr absichern, sich die beschriebenen Fragen zu stellen und die gemeinsame Zukunft mit Baby auszumalen. Auf diese Weise könnt ihr feststellen, wo ihr gerade steht. Individuell und als Paar. Es muss natürlich nicht jedes Thema zu 100% mit deinem/r PartnerIn übereinstimmen. Ihr werdet niemals eine/n PartnerIn finden, mit dem alles wie die Faust aufs Auge zusammen passt. Jedoch grundsätzlich die gleichen Vorstellungen vom Leben zu haben und sich mit dem Gedanken an die gemeinsame Zukunft wohl zu fühlen, sollte die Voraussetzung für ein erstes gemeinsames Kind sein.
Wichtig ist zudem, dass sich beide Partner ein Kind wünschen. Jemanden überreden, ein Kind unterjubeln oder ähnliches geht leider nie langfristig gut. Die Kinderfrage ist wohl eine der wenigen Fragen in einer Partnerschaft, bei der wir keinen Kompromiss eingehen können. Denn ein halbes Kind gibt es ja nicht.
Daher sehe ich auch keinen Sinn darin, eine Beziehung mit jemandem aufzubauen, geschweige denn lange zu führen, mit dem man sich über die Kinderfrage (ja oder nein) nicht einig ist. Anders gesprochen ist eine glückliche Zukunft mit dem ungeteilten Kinderwunsch ausgeschlossen, so hart das auch klingen mag.
Fazit
Diese Faktoren bilden aus meiner Sicht eine Grundlage für eure solide Entscheidung. Trotzdem gibt es häufig noch Zweifel oder Unsicherheiten hinsichtlich des ersten Kindes. Lasst euch gesagt sein: Ich kenne kaum jemanden, der sagen kann: Ja, jetzt ist der perfekte Moment für ein Baby und nun bin ich schwanger. Es wird immer etwas geben, was man noch erleben oder erreichen könnte. Die meisten Dinge davon können wir auch mit Kind erleben bzw. möglich machen. Und noch ein weiterer Aspekt: Auch wenn ihr euch einig seid, dass es nun passen kann, lasst euch Zeit. Stellt euch darauf ein, dass es auch einige Monate dauern kann, bis es klappt. Bleibt positiv, zuversichtlich und realistisch. Außerdem schreckt bitte nicht davor zurück, euch mit anderen auszutauschen. Oder auch Unterstützung bei entsprechenden Spezialisten zu nehmen, solltet ihr dies brauchen.
Alles Gute für euch! Nur ihr entscheidet…
Wie ihr Themen rund ums erste Baby gemeinsam gestalten könnt, erfahrt ihr auch in diesem Artikel: “20 Tipps: Den Vater in Schwangerschaft, Geburt und Familienleben integrieren”.
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